Nachhaltigkeit

Internal first: Warum Kommunikation von Nachhaltigkeit immer zuerst nach innen gerichtet sein sollte.

Juli 2023
10
Minuten
Saskja Jagenteufel
Drei Personen spazieren durch einen dichten Wald, umgeben von hohen Bäumen und grüner Vegetation.

Hat Nachhaltigkeitskommunikation womöglich eine Zielgruppe mehr, von der Sie bisher noch nichts wussten? Wir sprechen bei der Zielgruppenansprache häufig von Architekt:innen, Verarbeiter:innen, Projektentwickler:innen & Co., aber wer von Ihnen hat bei der Wissensvermittlung in Sachen Nachhaltigkeit und der übergeordneten Nachhaltigkeitsstrategie die internen Teams für Marketing & Vertrieb wirklich mit auf dem Schirm? Dazu später mehr - beginnen wir mit den Basics für eine nachhaltige Kommunikation.

Nachhaltigkeit entsteht zwar nicht initial in Marketing & Vertrieb, das Thema proaktiv voranzutreiben, gehört aber trotzdem dazu. Hier kommen vier Gründe & Thesen, weshalb es wichtig ist, sie als elementaren Bestandteil in die Kommunikation zu integrieren und die interne Kommunikation dabei nicht zu vergessen:

  • Grund 1 – 🏆 Zertifizierung: Marken, die sich mit der Zertifizierung ihrer Unternehmen und ihrer Produkte auseinandersetzen, werden künftig in Wettbewerben und Projekten, die einen nachhaltigen Fokus haben, vorrangig berücksichtigt.
  • Grund 2 – 🥊 Wettbewerb: Wer sich auch öffentlichkeitswirksam mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzt, bleibt auch in den nächsten Jahren noch wettbewerbsfähig und steigert das Image im doppelten Sinne nachhaltig.
  • Grund 3 – 🧼 Greenwashing: Wer seine Kommunikationsmaßnahmen strategisch, ehrlich und transparent ausrichtet, tappt nicht in die Greenwashing-Falle. Hier gilt die Devise: Ehrlich währt am längsten und lieber kleine, als falsche Schritte zu kommunizieren.
  • Grund 4 – 🧠 Wissensvermittlung: Wer im Marketing und Vertrieb thematisch und inhaltlich gut aufgestellt ist und in die eigene Wissensvermittlung investiert, kann glaubhaft und authentisch darüber kommunizieren und wir so als echte:r Partner:in im Projektverlauf wahrgenommen.
472.158 versus 38 Die viel zitierte Zahl der 38 verantwortlichen Prozent der Baubranche an den globalen CO2-Emissionen kennen wir alle. Betrachten wir allein den Bereich Marketing und Werbung, betrug die Anzahl der Beschäftigten im Jahr 2021 in Deutschland laut Statista 472.158 Personen. Was wäre also, wenn sich auch nur die Hälfte dieser Personen ernsthaft für eine werthaltige Kommunikation von Nachhaltigkeit einsetzt? Das wäre ziemlich cool.

Jetzt mal Tacheles hoch 4

Wie also können diejenigen, die zwar nicht an den Produktionsprozessen und vermutlich auch an den übergeordneten Entscheidungen des Unternehmens beteiligt sind, sinnvoll mitwirken? Dazu betrachten wir unsere vier Gründe nochmal im Detail und geben erste Lösungsvorschläge an die Hand:

🏆 Zertifizierung

Stellen wir uns folgendes Szenario vor:

Eines der renommiertesten Architekturbüros Deutschlands plant ein Pilotprojekt, das als siegreicher Entwurf aus einem internationalen Wettbewerb hervorgegangen ist. Grundidee des Projekts? Es werden nur Produkte verbaut, die ein C2C-Zertifikat haben und nach der Nutzung wieder einem biologischen oder technischen Kreislauf zugeführt werden können. Eine Firma, die Bauprodukte herstellt, wird für eine beachtliche Abnahmemenge an Produkten und für ein Projekt mit Reputations-Garantie angefragt und ist unverzüglich raus, als klar wird, dass ihre Produkte die Zertifikate nicht haben.

Das ist nicht nur ärgerlich, sondern auch damit verbunden, dass der Firma ein extrem guter Kommunikationsanlass und ein hohes Umsatzvolumen durch die Lappen geht. Das lässt Sie nun möglicherweise über zwei Dinge nachdenken:

  • »Welche unserer Produkte haben eigentlich ein Zertifikat?«
  • oder aber: »Auf welches der zahlreichen Zertifizierungssysteme soll ich setzen?«
  • und »War das jetzt ein Einzelfall oder werden schon bald sehr oft ohne passende Zertifikate / Produkte nicht mehr berücksichtigt werden?«

Ganz pragmatisch zu Gedanke 1: Listen Sie es auf. Und zwar all Ihre Produkte. Erstellen Sie eine interne Produkt-Matrix mit individuellen Kategorien, die Ihnen und den Kolleg:innen eine Übersicht Ihres Status Quo verschafft. Denn nur, wenn Sie Ihre eigenen Produkte besser einordnen können, können Sie Ihre Kund:innen bestmöglich beraten und zu einer sinnvollen Kaufentscheidung verhelfen. Stellen und beantworten Sie Fragen wie: Welche Produkte haben ein Siegel oder ein Zertifikat? Welche sind kurz davor, es zu bekommen? Was sind die Vor- und Nachteile hinsichtlich Preis, Eigenschaften & Co. der nachhaltigen Produkte? Welche Ziele verfolgt das Unternehmen für künftige Produktentwicklungen?

Und zu Gedanke 2: Irgendein Zertifikat ist besser als gar keins, könnten wir jetzt sagen. Aber auch hier gilt: Informieren Sie sich über die in Ihrem Produktsegment gängigen Zertifikate. Löchern Sie die DGNB, holen Sie sich Infos über die einzelnen Zertifizierungssysteme ein, befragen Sie Ihr Netzwerk und finden die für sich beste Lösung. Im Markt hat sich kein System etabliert, das als »goldene Lösung« gilt. Ganz im Gegenteil, die Labels und Zertifizierungen werden stetig mehr. Wichtig ist: Prüfen Sie den Vergabeprozess. Gute Labels stellen Ihren Prüfprozess transparent dar und die Prüfung findet über ein unabhängiges Institut statt. Und vielleicht noch wichtiger: Auch die Architekturbüros sind hinsichtlich der »richtigen Zertifikate« noch unsicher. Fragen Sie nach, nach welchen Kriterien Bauprodukte ausgesucht werden, betreiben Feldforschung und orientieren Sie sich daran, was die Zielgruppe Ihnen mit auf den Weg gibt.

🥊 Wettbewerb

»Beim Thema Nachhaltigkeit hört der Wettbewerb auf« ist wohl der neutralste Impuls, der einem beim Thema Wettbewerb in den Sinn kommen kann. Aber fernab der idealistischen Idee befinden wir uns immer noch in einem antagonistischen Wirtschaftssystem, in dem es darum geht, Umsätze zu erzielen, um weiterhin am Markt agieren zu können - das ist auch uns bewusst. Wie also können Sie, trotz hohem Wettbewerbsdruck, Synergieeffekte mit weiteren Akteur:innen erzielen und somit den Unternehmenserfolg nachhaltig beeinflussen?

  • Ansatz 1: Werden Sie aktiv und listen Ihre Produkte und Projekte in Initiativen wie Concular, Madaster & Co. Das mögen zwar auch Ihre direkten Wettbewerber tun, aber so unterstützen Sie die kreislaufgerechte Entwicklung der Bestands- und neuen Immobilien auf unabhängigen Plattformen.
  • Ansatz 2: Gehen Sie auf Branchen-Events wie das Klimafestival, 80-Sekunden-Summit & Co. und vernetzen sich mit den anderen Akteur:innen der Bau-Branche. Vergrößern Sie Ihr Budget, indem Sie gemeinsame Feldforschung betreiben, die Zielgruppen an einen Tisch bringen und Lösungsansätze diskutieren und entwickeln.
  • Ansatz 3: Gehen Sie in die Wettbewerbs-Recherche: Welche Kommunikationsmaßnahmen verfolgen Ihre Wettbewerber:innen möglicherweise schon viel besser als Sie? Wovon können Sie sich inspirieren lassen? Was möchten Sie auf gar keinen Fall tun?
Trotz des hohen Wettbewerbsdrucks sollte es das Ziel sein, Synergieeffekte mit weiteren Akteur:innen zu erreichen, um sich gemeinsam für die Bauwende zu engagieren.

🧼 Greenwashing

Auf der Messe BAU 2023 war es uns wieder aufgefallen: Viele Unternehmen präsentierten sich auf gewohnte Weise, worin wir einige offene Chancen und Potentiale sehen. Denn die unterschiedlichen Grüntöne an den jeweiligen Ständen ließen erahnen, dass eigentlich eine ganz neue Geschichte erzählt werden sollte. Sollte, weil einige von Ihnen mit dem Kopf voran in die Greenwashing-Falle getappt sind.

Jeder grundlegende Strategiewechsel setzt einen Kulturwandel voraus oder muss zumindest von ihm begleitet werden. Nachhaltigkeit als Gesamtunternehmensstrategie ist ein solcher grundlegender Wandel. Denn wirtschaftlicher Erfolg bei schonendem Umgang mit endlichen Ressourcen unter Beachtung der natürlichen Regenerationsfähigkeit erfordert nicht nur den grundlegenden Umbau von Geschäftszielen und -modellen, sondern verändert auch das Verhältnis zwischen Unternehmen und Kund:innen. Dieser Prozess braucht seine Zeit.

Greenwashing ist eine der größten Fallen, in die viele Unternehmen tappen. Werbliche Aussagen, geschönte Berechnungen und billige Merchandises sollten tunlichst vermieden werden.

Das bedeutet ganz konkret insbesondere für die Kommunikation auf Messeständen: Setzen Sie ruhig (weiterhin) auf die Farbe »Grün«, denn die ist ja nicht per se schlecht. Aber verzichten Sie auf werbliche Aussagen, geschönte Berechnungen, weil sie gut klingen und auf billig produzierte Merchandises. Lassen Sie sich nicht irritieren von den vermeintlich großen Erfolgen Ihrer Standnachbar:innen. Kommunizieren Sie in Ihrem eigenen Tempo die Haltung, die Erfolge und die nächsten Schritte Ihres eigenen Unternehmens, das sich schließlich selbst auf den Weg gemacht hat, nachhaltiger zu agieren.

🧠 Wissensvermittlung

Kommen wir nun nochmal zurück zur Ausgangsfrage, die da lautete, welche Zielgruppe häufig zu wenig Beachtung findet: Es sind die eigenen Teams, Mitarbeiter:innen und Kolleg:innen.

Investieren Sie Zeit und Energie, um Ihre neuen und nachhaltigen Botschaften auch intern zu verankern. Während Produkte und Kampagnen meist für die Kommunikation nach außen ausgerichtet sind, achten Sie in Sachen Nachhaltigkeit besonders darauf, dass Sie die Zielgruppe, die Ihnen am nächsten ist, nicht außer Acht lassen.

Warum? Sie und Ihre Kolleg:innen werden gerade mit voller Wucht mit der Dringlichkeit konfrontiert und »plötzlich« ploppt ein hochkomplexes Themenfeld auf, das zusätzlich zur alltäglichen Arbeit bearbeitet und nach draußen getragen werden möchte. Bereiten Sie die Themen also so auf, dass Sie sie zunächst an Marketing & Vertrieb - möglicherweise gespickt mit internen Argumentationssträngen und Infos - geben, ehe diese nach außen getragen werden. So stellen Sie eine »One Voice Policy« sicher und vermeiden Irritation durch unterschiedliche Aussagen im Nachhaltigkeitskontext mit Ihrer Marke oder Ihren Produkten. Hilfreiche Mittel und Wege sind unter anderem regelmäßige Themen-Newsletter, ein internes Wiki, Vertriebs- und Marketing-Schulungen sowie Arbeitsgruppen zu spezifischen Themen. 

Dabei wichtig: Steuern Sie den Prozess aktiv und bewusst. Denn nur wer hier am Ball bleibt, hat die Chance, möglichst viele für das Thema zu begeistern, das die nächsten Jahren omnipräsent in der Architekturkommunikation Bestand haben wird.

Was also sind die konkreten Learnings aus den bisherigen Empfehlungen?

Nachhaltigkeitskommunikation zu etablieren bedeutet, strategische und unternehmerische Investitionen zu tätigen und die Veränderungen in der Zielgruppe zu berücksichtigen. Die Projektanforderungen ändern sich, das Knowhow insbesondere auch der heranwachsenden Architektur-Generation in Sachen Nachhaltigkeit ändert sich, die Regularien werden schärfer. Das bedeutet, dass keiner von Ihnen so weitermachen kann wie bisher, sondern den Fokus der eigenen Kommunikation insbesondere auch auf die früheren Phasen im Planungsprozess ausrichten muss. Zielgruppen adressieren, bei denen salopp gesagt das Geld sitzt, Investor:innen und Projektentwickler:innen mit ins Boot holen, über nachhaltige Produkte und Projekte informieren, um das eigene Wissen zu multiplizieren und zur Wertschöpfung beizutragen.

Sie merken:

Uns lässt das Thema nicht kalt. Einerseits natürlich, weil wir merken, dass der Beratungsbedarf aufgrund der allgemeinen Unsicherheit groß ist. Andererseits, weil uns das Thema nicht nur auf beruflicher, sondern auch auf persönlicher Ebene am Herzen liegt. Deshalb haben wir, bei und mit HPP Architekten die Sustainability Masterclass in Marketing & Sales ins Leben gerufen, bei der es darum geht, die oben beschriebenen Themen an zwei Tagen vor Ort bei HPP in Düsseldorf zu durchleuchten, mit anderen Branchen-Vertreter:innen zu diskutieren, erste Lösungsansätze zu formulieren und vor allem positiv gestimmt die nächsten Schritte im eigenen Unternehmen anzustoßen.

Klingt gut und Sie wollen mehr wissen? Dann kontaktieren Sie uns jederzeit gerne, wir freuen uns.

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