Interview

Worauf achtet eine Architektin bei einem Messebesuch? Unsere Architekturbeirätin Martina Rahmfeld unterwegs auf der Orgatec

November 2024
10
Minuten
Ami Ewald
Moderne Sitzmöbel von Softline auf der Orgatec – bunte Polstermöbel und minimalistische Tische in einem elegant gestalteten Ambiente.
Softline auf der Orgatec | Foto: hej.build

Für unser Team markierte die Orgatec in Köln den Auftakt der großen Messen im Winter. Die Veranstalter priesen ein neues Konzept an: Jede Halle wird zur »Focus Area« mit speziellen Themen rund um die Zukunft der Arbeit. Sollte sich die Messe mit dem Schwerpunkt Arbeitswelten also genauso wandeln wie die Arbeitswelten selbst? Ist das gelungen? Für einen Perspektivenwechsel haben wir Martina Rahmfeld aus unserem Architekturbeirat interviewt, Inhaberin bei wow tomorrow und Expertin für New Work und Arbeitswelten. Sie fasste für uns zusammen, was der Orgatec gut gelungen ist und wie man sie als Hersteller auf den Messestand lockt.

Wie organisierst du vorab die Messe?

Tatsächlich gehe ich da recht strategisch vor:

In der Regel erhalte ich im Vorfeld der Messe zahlreiche »Einladungen« und Teaser. Die für mich interessanten Aussteller notiere ich auf einem Board in Notion (Anm. d. Red. Notion ist ein digitales Tool zur Organisation und Verwaltung von Notizen, Projekten und Datenbanken.).

Vor der Messe gehe ich den Ausstellerkatalog und Hallenplan durch. Dabei markiere ich sowohl Aussteller, die ich gerne wiedersehen möchte, als auch neue, die ich kennenlernen will. All diese kommen auf mein Board, sodass ich hallenweise einen vorläufigen Plan habe – mit Ausstellern, Personen, die ich treffen möchte und möglichen Themen oder Anlässen. Bewusst vereinbare ich hier keine festen Termine.

Über LinkedIn, persönliche Einladungen oder E-Mails erfahre ich, wer alles zu Besuch sein wird. Mit den Menschen, die ich gerne treffen möchte, vereinbare ich Termine – am liebsten direkt an einem Stand, der guten Kaffee anbietet! 😉 ☕️ (Ein kleiner Wink mit dem Zaunpfahl.)

Für Vorträge bleibt mir leider kaum Zeit. Stattdessen schaue ich mir vorab das Rahmenprogramm an, besonders die Veranstaltungen an den Abenden oder am Vorabend. Aus den Einladungen wähle ich dann aus, was spannend klingt und Spaß verspricht.

Wie fühlst du dich beim ersten Betreten?

Es ist definitiv eine Mischung aus: »Puh, wie soll ich das alles schaffen?«, »Yeah, let’s go!« und großer Vorfreude.

Was lässt dich an einem Stand verweilen?

Wenn ich vorab auf ein Produkt aufmerksam wurde und deshalb gezielt einen Stand besuche, lasse ich mich vom Standdesign nicht abschrecken. Habe ich jedoch keinen vorherigen Bezug zum Stand oder kein konkretes Ziel dort, wandert mein Blick rasch über weniger attraktive Stände hinweg. Stattdessen konzentriere ich mich auf die Bereiche und Aussteller, deren erster Eindruck vielversprechend ist.

Letztendlich geht es auf der Orgatec primär um die Ausstattung und Umsetzung von Arbeitswelten. Wir alle wissen heute, dass eine gute Arbeitswelt nicht nur Einfluss auf das Wohlbefinden der Mitarbeiter, sondern auch auf den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens hat. Damit also extrem relevant und wichtig ist.

Um das in meinen Projekten umzusetzen, suche ich Partner, die mich unterstützen und ähnlich ticken. Das kann durch einen entsprechenden Stand gezeigt werden. Habe ich durch den Stand das Gefühl, hier keine Unterstützung in die von mir angestrebte Richtung zu finden, verschwende ich dort auch keine Zeit.

Das mag manchmal dazu führen, dass ich einen potentiellen Partner ausschließe, jedoch muss ich gerade an solchen Tagen fokussiert und selektiv vorgehen.

Welche Stände fallen dir sofort auf?

Meine Aufmerksamkeit können ganz unterschiedliche Stände gewinnen:

  • Stände mit einer herausragenden ganzheitlichen Atmosphäre und einem durchdachten Konzept, bei dem Farbe, Licht, Dekoration und Möbel harmonisch zusammenspielen.
  • Stände, die durch bewusste Reduktion hervorstechen.
  • Sehr volle Stände – man möchte unbedingt herausfinden, was hier so besonders ist.
Stand von mdd in Halle 4 auf der Orgatec – zwei Besucher:innen betrachten eine Ausstellungsfläche mit modernen Möbeln.
Foto: Koelnmesse Bilddatenbank

Was überzeugt dich am Stand?

Wenn ich einen Stand oder ein Produkt interessant finde, tauche ich gerne tiefer ein. Ich möchte die Geschichte dahinter verstehen und den echten Mehrwert erfahren. Dabei freue ich mich über freundliche Ansprechpartner, die mich auf ihre Reise mitnehmen. Wichtig ist mir, dass die Informationen über das Offensichtliche hinausgehen. Ich möchte nicht von Produkt zu Produkt geführt werden, nur um alles zu sehen. Stattdessen will ich den Mehrwert erfahren und die Geschichten dahinter kennenlernen – auch um zu prüfen, ob ich mich gut beraten und unterstützt fühle.

Ich lehne physische Unterlagen meist ab, um nicht zu viel mit mir herumtragen zu müssen. Ich freue mich jedoch über die Zusendung von Materialien im Nachgang. Auch hier ist mir das Persönliche wichtig: Wenn wir vereinbaren, dass mir eine Preisliste zugeschickt wird, erwarte ich diese auch – und nicht etwa eine allgemeine E-Mail, in der ich erneut anfragen muss.

Wie bleiben Marken im Gedächtnis?

Auch hier setze ich auf meine Notion-Datenbank. Nach jedem Standbesuch oder Gespräch mache ich mir kurze Notizen auf meinem vorbereiteten Board. Ich füge direkt Fotos von Ständen und Produkten hinzu. Im Anschluss ergänze ich meine Produktbibliothek mit den interessantesten Produkten.

Besonders hilfreich waren tatsächlich die E-Mails, die im Nachgang noch einmal Bilder des (leeren) Messestands enthielten und alle präsentierten Produkte verlinkt oder auf einer Landingpage aufgeführt hatten..

Hat sich das neue Orgatec-Konzept bewährt?

Ja. Obwohl ich kaum an den zahlreichen Vorträgen teilgenommen habe, haben mich besonders die Multi-Brand-Bereiche beeindruckt. Die Auflösung der klassischen Stand-Gang-Anordnung verbesserte den Raumeindruck sehr und spiegelt die Entwicklung in unseren Büros wider.

Insgesamt habe ich ein hohes Maß an Gastfreundschaft seitens der Aussteller erlebt, was mich sehr erfreut und das Erlebnis der Orgatec maßgeblich geprägt hat.

Zur Person

Martina Rahmfeld studierte Architektur in Bochum und sammelte langjährige Erfahrung als projektleitende Architektin. Sie begleitete zahlreiche Büros von der Planung bis zur Umsetzung – heute kombiniert sie ihr umfassendes Wissen über die Wirkung von Räumen auf Menschen. Mit wow tomorrow unterstützt sie Unternehmen dabei, digitale, hybride und analoge Arbeitswelten zukunftsfähig zu gestalten. Martina ist Teil unseres hej.build Architekturbeirats.

Portrait von Martina Rahmfeld
Foto: Pascal Skwara

Zur Orgatec

Die Orgatec präsentierte vom 22. bis 25. Oktober 2024 ein neues Messekonzept mit themenorientierten »Focus Areas« wie #ImpulseContract und #OfficeXperience. Erstmals fand das »Wherever Whenever – Work Culture Festival« des IBA statt. Mit 729 Ausstellern aus 40 Ländern und rund 50.000 Fachbesuchern unterstrich die Leitmesse für Arbeitswelten ihre internationale Bedeutung. Die nächste Orgatec öffnet vom 27. bis 30. Oktober 2026 ihre Tore.