Timo Schroeder

rehub®
Founder & CEO von rehub®
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Experte für KI, generatives Design und digitale Unternehmensstrategie

Was hat dich überzeugt, Teil des hej.build Architekturbeirats zu werden?

Die Branche und das Berufsbild der Architekt:innen stehen vor großen Herausforderungen und Veränderungen. KI, generative Design-Tools und die Industrialisierung des Bauens werden vollständig neue Wertschöpfungsketten hervorbringen. Industrie und Planung sowie Industrie und Bauherr müssen enger zusammenrücken. In Zukunft werden wir völlig andere Prozesse erleben als heute. Dafür müssen wir als Branche Technologie verstehen, gemeinsam interagieren und an Lösungen arbeiten. Ich freue mich darauf, als Beirat bei hej.build Hersteller und Architekt:innen dabei zu helfen, von der Transformation des Marktes zu profitieren.

Was beschäftigt dich in Bezug auf Architektur, Innenarchitektur oder auch Bauprodukte im Augenblick am meisten?

Die Baubranche war historisch sehr langen Innovationszyklen ausgesetzt – Zyklen in Form von Jahrzehnten. Nun befinden wir uns inmitten der digitalen Transformation. Durch KI, Algorithmen und Robotik halten Innovationszyklen Einzug in unsere Branche, die in wenigen Monaten bis hin zu zwei Jahren ablaufen. Darauf ist die Branche nicht vorbereitet.

Technologien werden zu Ökosystemen vereint, Ökosysteme werden neue Wertschöpfungen schaffen und neue Marktteilnehmer und Segmente hervorbringen. Immer mehr Aufgaben werden von Agenten oder durch GenAI übernommen.

Immer mehr Prozesse werden sich auf den Bauherrn verlagern. Hier gilt es, als Hersteller frühzeitig die richtigen Vertriebskanäle aufzubauen, als Planer:in die eigene Rolle neu zu definieren und als Planer:in und Bauunternehmen gemeinsam die Brücke zwischen Planung und Bau zu schließen.

Hier verbergen sich aber auch ungeahnte Potenziale. Studien prognostizieren durch KI und Robotik über 70 % mehr Gewinnpotenziale in der Bau- und Immobilienbranche. Industriell vorgefertigte Gebäude verbrauchen weniger Ressourcen und CO₂. In der Planung können mehr Einflüsse gleichzeitig berücksichtigt werden, sodass nachhaltige Gebäude schon in der Konzeption ermöglicht werden.

Durch solche digitalen Wertschöpfungsketten werden wir nicht nur Wohnraum wieder bezahlbar für die breite Bevölkerung anbieten, sondern diesen auch nachhaltig errichten können.

Was ist für dich – in wenigen Worten – gute Architektur/Innenarchitektur?

Wir verbringen im Schnitt 90 % unseres Tages in geschlossenen Räumen. Architektur muss uns diese Räume bedarfsgerecht zur Verfügung stellen und darf gleichzeitig unerwartet unseren Geist und die Sinne anregen.

Gibt es ein aktuelles Highlight- oder ein All-Time-Favorite-Projekt, von dem du uns etwas berichten magst?

Ich war BIM-Manager im Pilotprojekt zum ersten BIM-basierten Bauantrag in Deutschland. Dieses Projekt hat gezeigt, dass wir in Deutschland nicht nur den Status quo beklagen, sondern diesen auch verändern können. Es braucht eine Transformation und damit mutige Menschen, die bereit sind, Projekte oder Märkte abseits der Norm aufzuziehen und durchzusetzen.

Die Bau- und Immobilienbranche steckt in ihren Prozessen und Methoden fest. Warum fällt die flächendeckende Transformation so schwer, und was hat das mit Kodak zu tun?

Zum einen entfernen sich die Bau- und Immobilienbranche im gegenseitigen Verständnis immer weiter voneinander. Dabei müssten sich Angebot und Nachfrage eigentlich aufeinander zubewegen. Zum anderen sind es zwei stark fragmentierte Branchen. Beides macht eine hohe Marktdurchdringung neuer Technologien schwierig.

Es gab mindestens zehn sehr »satte« Jahre in der Branche. Hier wurde zu wenig reinvestiert.

Der Kodak-Effekt wird in der Bau- und Immobilienbranche in Zukunft häufig zu beobachten sein: Angst vor Transparenz, Angst vor dem Aufbrechen der Wissenssilos, Angst davor, Daten und Prozesse zu teilen und auf neue Technologien oder Ökosysteme zu setzen. Es existiert die Angst, dadurch bestehende, ggf. mächtige Strukturen im eigenen Unternehmen zu kannibalisieren. Genau das ist Kodak mit der Technologie der Digitalkamera passiert. Letztendlich führte es zum Niedergang von Kodak, da das Unternehmen verpasst hat, das Geschäft weiterzuentwickeln und den eigenen Filmen Konkurrenz zu machen.

Zudem haben wir das Baumeister-Syndrom: Wir wollen in der Branche alles selbst entwickeln und schaffen. Im Jahr 2023 erzielte das Bauhauptgewerbe in Deutschland einen Umsatz von 162,6 Milliarden Euro. Im Vergleich dazu investierte Amazon im selben Jahr rund 79 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung – das sind ca. 48,6 % des Gesamtumsatzes der deutschen Baubranche. Wir müssen Ressourcen zusammenlegen und gemeinsam an Lösungen arbeiten, statt jeder für sich in seinem Silo.

Timo Schroeder, Gründer und CEO von rehub®, im Business-Portrait vor Büro-Hintergrund